Stoppt die Zerstörung der Krim

Mit diesem Text möchten wir zum Verständnis einer komplizierten Lage beitragen.

Unser Ziel ist die Völkerverständigung. Mit Worten, nicht mit Waffen!

Wir als Verein haben eine Forderung an die deutsche Bundesregierung:

WIR DÜRFEN DER UKRAINISCHEN ARMEE KEINE RAKETEN LIEFERN, MIT DENEN DIE KRIM ANGEGRIFFEN/ZERSTÖRT WERDEN KANN

Die Aufgabe unseres Vereins ist laut Satzung die Völkerverständigung. Politische Bewertung oder politische Agitation gehören nicht dazu. Seit der Gründung des Vereins haben wir versucht, den Austausch der deutschen Bevölkerung mit den Bewohnern der Krim zu fördern – gleichbedeutend mit dem Verständnis für die andere Seite. Wir haben zu Reisen auf die Krim angeregt und diese auf Nachfrage unterstützt. Wir waren bemüht, in der Vergangenheit sehr erfolgreiche, aber inzwischen leider eingestellte Programme für Schüler- und Studentenaustausch zwischen Deutschland und der Krim zu reanimieren. Wir hätten gerne geholfen, den kulturellen Austausch zwischen kreativen Menschen aus Deutschland und der Krim wieder aufleben zu lassen – und vieles mehr.

Leider konnten wir unsere Ziele mit dem Verein bis heute nicht umsetzen. Den Grund dafür sehen wir im Scheitern der Politik insgesamt, der russischen, ukrainischen und westlichen.

Wenn die deutsche Politik nun erwägt, die ukrainische Armee mit Raketen auszustatten, mit der Ziele auf der Krim angegriffen (d.h. zerstört) werden können, ist dies der Punkt für unseren Verein, "STOPP!" zu rufen! Deutsche Raketen dürfen nicht dazu verwendet werden, die Bevölkerung der Krim dafür zu bestrafen, dass sie Entscheidungen gefällt hat, die manchen nicht gefallen.

Wir halten es zunächst für wichtig, sich die Bevölkerungsstruktur der Krim in der Entwicklung anzusehen:

Dazu das ganz persönliche Verständnis der Vorgänge in und um die Krim eines Vereins-Mitglieds.

Nach der auch für die Krim durch Kriege, Säuberungen und Umsiedlung mehrerer Volksgruppen grausamen und schwer zu greifenden Zeit 1914-1945 nahm Stalins Tod 1953 etwas Dramatik aus dem Tagesgeschehen.

Die Entscheidung des Generalsekretärs der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, die Halbinsel Krim 1954 der Sowjetrepublik Ukraine anzugliedern, fand in einer Zeit statt, in der die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat eine untergeordnete Rolle spielte. Dementsprechend gering waren die Auswirkungen auf den Alltag der betroffenen Bevölkerung. Zumal sowohl deren Zusammensetzung wie auch deren Meinung bei der Entscheidung keine Rolle gespielt haben dürfte.

Auf die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur der Halbinsel scheint die Übergabe an die Ukraine bis 1989 einen gewissen, aber keinen entscheidenden Einfluss gehabt zu haben.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Erklärung der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 ist eine leichte Veränderung der Struktur zu beobachten, auch durch die aus der Verbannung zurückkehrenden Krimtataren. Dennoch blieb es bei einer knappen Zweidrittel-Mehrheit der russisch-stämmigen Bevölkerung.

Diese Mehrheit bemühte sich in den folgenden Jahren 1991-2014 mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, eine Angliederung an die russische Föderation zu erreichen, u. A. durch mehrfach angestrebte Referenden. Da der Verlust der Halbinsel keinesfalls im Interesse der ukrainischen Regierung lag, setzte man in Kiew alles daran, diese Angliederung zu verhindern.
Bis 2014.

Hinter dem Wunsch der russischsprachigen Bevölkerung, einem Staat anzugehören, mit dem man Sprache, Kultur und Geschichte teilt, steckt eine erkennbare Logik.

Ein weiterer Aspekt der Entwicklung in den Jahren nach 1990 drängt sich immer wieder auf: der durch Korruption und Misswirtschaft kontinuierlich weiter verarmende junge Staat Ukraine hatte keine Mittel und keinen Willen, das "Stiefkind" Krim für seine Unabhängigkeitsbestrebungen etwa durch Investitionen in die marode Infrastruktur auch noch zu belohnen. Man sah wohl nicht einmal die Notwendigkeit, ein Konzept für den Umgang mit der russischsprachigen Bevölkerung (einer zweidrittel-Mehrheit!) zu entwickeln. Also schwelte das ungelöste Problem vor sich hin. Knapp 24 Jahre lang – bis 2014.

Ich bin bemüht, ohne politische oder moralische Bewertung auf die Ereignisse zu sehen – die Überlegung, ob oder welches Kalkül hinter dem russischen Verhalten stecken mag, soll hier keine Bedeutung haben. Letztendlich waren die Ankündigungen Russlands, sich besser um die Halbinsel zu kümmern, keine leeren Versprechungen. Was dem Westen schwer fällt, anzuerkennen, muss den Bewohnern der Krim wie eine Zeitenwende vorgekommen sein: mit einer beeindruckenden Effizienz und in atemberaubendem Tempo wurde ein moderner Flughafen in Simferopol, eine Autobahn quer durch die Halbinsel, eine Brücke zum russischen Festland gebaut. Die Strom- und Wasserversorgung sowie das Rentensystem wurden modernisiert.

Die Tourismusbranche, die zu einem beträchtlichen Teil in der Hand der tatarischen Minderheit ist, floriert wie nie zuvor (eine Einschränkung: nach Angriffen auf Brücken und andere zivile Ziele sind die aktuellen Daten abzuwarten) – auch, weil sich die Tataren recht schnell und unkompliziert mit den neuen Machthabern arrangiert haben – die sich wiederum revanchieren, indem sie den Tataren ein gesundes Maß an Autonomie zugestehen. So wurde etwa flink die größte Moschee Osteuropas in Simferopol gebaut, oder es wurden Schulen eröffnet, in denen die tatarische Sprache einen besonderen Stellenwert hat.

Ja, das hört sich wie plumpe Propaganda an. Leider haben sich nur sehr wenige westliche Journalisten die Mühe gemacht, den Wahrheitsgehalt dieser skeptisch machenden Beschreibungen zu überprüfen. Ich persönlich kenne niemanden, der die Krim nach 2014 bereist hat und nicht beeindruckt war von der Offensichtlichkeit der Veränderungen.

Ob ich keine Verlierer der Entwicklungen sehe? Zweifellos gibt es sie. Wer sich der Ukraine zugehörig fühlt und Wert darauf legt, dass die ukrainische Sprache und Kultur an erster Stelle stehen, dass die Entscheidungen in Kiew und nicht in Moskau gefällt werden. Wer die Erwartung hat, westeuropäischer Lebensstil würde sich schnell und dauerhaft durchsetzen. Wer sich in Opposition zur russischen Regierung unter Putin sieht, auf einen baldigen Regierungswechsel hofft und dies auch öffentlich mitteilt. Diesen Menschen blieb und bleibt vermutlich wenig anderes, als die Krim zu verlassen. Auch unter den Tataren gab es einige, die sich mit der Kiewer Regierung solidarisierten, gegen Moskauer Einflüsse ankämpften und die Krim schließlich verlassen mussten.

Stellen Sie sich vor: über 20 Jahre lebten die Menschen auf der Krim in einem Staat, dessen Niedergang auch die Wahl des pro-westlich orientierten Viktor Jutschenko 2004 und unzählige Milliarden europäischer Fördergelder nicht aufhalten konnte. Dazu kam die Unsicherheit den Status der Halbinsel betreffend: wird es Gespräche über Autonomie der Region geben? Welche Rolle wird die russische Sprache einnehmen? Immer wieder gab es etwa Gerüchte über Pläne, die russische Sprache im Schulbetrieb und der Verwaltung in die zweite Reihe zu drängen.

Dazu muss man sich klar machen, dass der von uns so geschätzte liberale westliche Lebensstil innerhalb der russischen Bevölkerung auf weitaus größere Skepsis stößt, als viele im Westen erwarten.

2014 schuf Putin mit der "Annexion" der Krim Klarheit, über Nacht und ohne dass ein einziger Schuss gefallen wäre.

Ich persönlich bedauere zutiefst, dass es den Regierungen Russlands, der Ukraine und des Westens nicht gelang, die Verhältnisse ruhig und friedlich zu definieren – zum Vorteil aller Beteiligten. Wenn ich mich aber bemühe, den Alltag mit den Augen eines Bewohners der Krim zu betrachten, fällt es mir schwer, negative Aspekte des Anschlusses zu erkennen. Nach meiner Einschätzung ist eine überwältigende Mehrheit der Krimbewohner heute vollauf zufrieden mit der Entwicklung und sieht keinen Anlass, den gut funktionierenden Alltag in Frage zu stellen.
Von den oben erwähnten Ausnahmen abgesehen.

Wenn man in Deutschland heute von der "besetzten Krim" spricht, die "befreit" werden müsste, beziehen sich solche Formulierungen auf absurd theoretische Definitionen – einzig, weil die Krim auf dem Papier eine Zeit lang ukrainisches Staatsgebiet war. Es blendet die Realität der Bevölkerung komplett aus. Wir können davon ausgehen, dass sich heute nur einige wenige Menschen auf der Krim finden lassen, die befreit werden wollen!

Eine "Befreiung" der Krim würde heute bedeuten: Krieg gegen mind. 80% der Bevölkerung (knapp 2 Mio. Menschen). Soll ein solcher Krieg mit deutschen Waffen geführt werden? Sollen deutsche Raketen russische Zivilisten in Massen töten?

Wir rufen: NEIN! NEIN! NEIN! 

Stoppt diesen Wahnsinn, bevor es zu spät ist!